Zu Kundenterminen außerhalb Wiens reise ich am liebsten mit der Bahn. Das Zugfahren entspannt mich und lässt mir Zeit, nebenbei zu arbeiten. Letztens war ich allerdings recht unentspannt, als es hieß, dass mein Zug wegen Gleiswartungsarbeiten Verspätung hätte. Ich habe mich gefragt, ob diese Verspätung eingeplant war, oder wie ein Dominostein auf zahlreiche Zugverbindungen an diesem Tag einwirken würde.
Beim Austausch von Gleiskörpern werden alle manuellen Arbeiten von Maschinen durchgeführt. Wo es allerdings weiterhin Menschen braucht, ist im Wartungsbereich dieser Maschinen. Es gilt, auf notwendige Serviceintervalle, Umwelteinflüsse, Beanspruchungsprofile u. v. m. zu achten. Niemand kennt die Maschinen besser als das für sie zuständige Wartungspersonal. Es kennt jede Schraube und weiß auch über Dinge Bescheid, die in keinem Handbuch festgehalten sind. Was passiert aber, wenn ein Wartungsmitarbeiter kurz vor seiner Pensionierung steht? Je näher sein Abschied rückt, desto eher stellt sich die Frage: Wie kann jahrzehntelang erworbene Erfahrung an Nachfolger am besten vermittelt werden? In vielen Fällen wird es eine persönliche Einschulung geben. Dabei geht aber oft wichtiges Wissen verloren. Außerdem bleiben nur noch wenige Mitarbeiter bis zu ihrer Pensionierung in der gleichen Firma. Laufende persönliche Einschulungen, die mit hohem Zeitaufwand verbunden sind, stehen deshalb bei vielen Betrieben an der Tagesordnung. Trotzdem schwindet mit jedem Mitarbeiter wichtiges Firmenwissen. Gib es aus dieser Abwärtsspirale einen Ausweg?
Ich denke schon. Mit einer elektronischen Checkliste, die ständig optimiert werden kann, lässt sich ein Großteil des Erfahrungswissens des Wartungspersonals leicht und schnell abbilden. So können Fragen formuliert werden, die auf die speziellen Anforderungen der jeweiligen Maschinen eingehen. Leihpersonal oder neue Inspektoren erfahren auf Knopfdruck, welche Besonderheiten es bei der Wartung der Maschinen zu berücksichtigen gibt. Fragen führen Punkt für Punkt durch die tägliche oder monatliche Kontrolle der Maschine und stellen sicher, dass keine Wartung übersehen wird und es zu keinem ungewollten Ausfall kommt. Mit Hilfe erfasster Daten wie Wartungsintervalle, Belastungskurven oder Ausfallgründen können auch Vorhersagen getroffen werden, wann welche Wartungen notwendig sind und Rückschlüsse gezogen werden, warum es zu Qualitätsminderungen oder sogar zu Ausfällen kommt.
Noch bevor ich meinen Gedankengang ganz beschließen konnte, war auch schon mein Zug da und ich kam trotz Verspätung noch rechtzeitig zu meinem Meeting. In Zukunft werden Mensch und Maschine bestimmt intelligenter miteinander kommunizieren. Dann können Wartungsmitarbeiter entspannt ihrem Ruhestand entgegenblicken und ihre Firma baut nach und nach eine eigene Wissensdatenbank auf.